„Der Mann, den ich liebe, ist am Sonntag vor zwei Wochen in der Geisterbahn verschwunden.“ Marga Burg, die diese Vermisstenanzeige aufgibt, ist eine Frau voller Geheimnisse. Robert, der Polizeibeamte, der aussieht wie George Clooney, aber gerade von seiner Frau verlassen wurde, ist fasziniert von der Zeugin, der Verdächtigen, was auch immer. Ist dieses Buch nun Kriminalroman oder Liebesgeschichte – oder doch beides?
Judith Kuckart (50) gehört seit ihrem Debut „Die Wahl der Waffen“, erschienen 1990, zu den vielbeachteten Schreibtalenten. Krimis waren bisher nicht ihr Genre, aber ihr war aufgefallen, dass in all ihren bisherigen Romanen – von „Der Bibliothekar“ bis zuletzt „Kaiserstraße“ – immer jemand verschwand. Was liegt da näher als das Verschwinden zu thematisieren.
Die im westfälischen Schwelm aufgewachsene Autorin, die heute in Berlin und Zürich lebt, arbeitet seit zehn Jahren auch erfolgreich als Regisseurin. Die Nähe zum Film merkt man auch ihrem neuesten Buch an. Schnelle Schnitte und ein raffiniertes Wechselspiel zwischen Realität und Illusion zeichnen „Die Verdächtige“ aus, dazu die sprachliche Feinheiten einer großen Autorin.
Der Verschwundene ist Mathias Böhm, ein Filmausstatter. Marga hatte eine Affäre mit ihm. Ihr seltsames Verhalten weckt Roberts Verdacht, aber auch seine Neugierde und sein Interesse: Hat sie sich vielleicht ihres Geliebten entledigt? Oder doch nicht? Je näher Robert Marga kommt – und das in jeder Hinsicht – umso undurchschaubarer wird die Frau.
Er forscht ihr nach in der Geisterbahn, wo sie zwei Wochen lang gearbeitet hatte, durchsucht die Wohnung des verschwundenen Mathias Böhm und versucht etwas zu erfahren über Margas geistig zurückgebliebenen, fresssüchtigen Bruder Andreas, mit dem sie seit dem Tod der Eltern unter einem Dach haust.
Viel Stoff für eine Kriminalgeschichte, und doch ist „Die Verdächtige“ mehr: Liebesgeschichte, Märchen, Wechselspiel, Filmdrehbuch. „Unter dem Satz lag ein zweiter“, heißt es irgendwann. Nichts ist wie es scheint, gilt für diesen Roman, der manchmal ins Unplausible abrutscht und dann wieder Wissen vermittelt, etwa über „Kälteidiotie“, der Reflex der Menschen, sich unmittelbar vor dem Erfrierungstod noch einmal zu entkleiden.
Kein klassischer Krimi, keine eindimensionale Liebesgeschichte. Irgendwie alles und manchmal dadurch auch zu wenig.
Bewertung: ****
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