Emma Braslavsky „Das Blaue vom Himmel“, 380 Seiten, 19,90 €, Claassen, ISBN: 978-3546004329;

Es ist der 11.11.1982. Auch im thüringischen Lautenbach beginnt an diesem Tag der Karneval – nur nicht in diesem Jahr: Der sowjetische Staatschef Leonid Breschnew ist tags zuvor gestorben und auch Elfriede, Mutter von sieben Kindern. Die machen sich am Totenbett auf die Suche der eigenen Geschichte – ein turbulentes Unterfangen.

Unterschiedlicher könnten die Kinder nicht sein: Da ist der NVA-Soldat und der Republikflüchtling, der Pastor und die  Öko-Fanatikerin und nicht zu vergessen Herbert, der schon vor langem verstorbene Historiker. Ein wahres Panoptikum. Sie kennen sich nicht, sie trauen sich nicht, und sie erzählen jeder eine andere Geschichte aus ihrer, der einen Familie. Und am Ende ist alles anders.

Im Mittelpunkt steht aber eigentlich nicht die Mutter, 1945 aus dem schlesischen Lauterbach ins thüringische Lauterbach vertrieben, sondern deren Mutter, die geheimnisvolle, früh emanzipierte Großmutter Esther. Erst nach einer Weile wird das Familientrauma aufgeblättert, die Vergewaltigung der Großmutter durch ihren betrunkenen Mann.

Es geht also um  „Mutmaßungen über Großmutter Esther“, um “eine trügerische Geschichte”, wie Herbert posthum wissen lässt. Keines der Geschwister hatte die Oma kennengelernt, jedes hat seine eigene Geschichte und seine eigenen Ideen dazu.

Die Grenzen zwischen Überlieferung und Vermutung sind fließend in dieser familiären Aufarbeitung – und noch dazu ist die skurrile Geschichte über drei Generationen amüsant erzählt, nicht nur weil ein Heiliger austaucht, der so aussieht wie Lenin.

Da wäre zum Beispiel Cowboy, der Wellensittich der Mutter: Die war ein Clint-Eastwood-Fan, weshalb der Vogel Sätze von sich gibt wie „Hängt ihn höher“ oder „Ich will ihn lebend“. Das Tier folgt der Beerdigungsgesellschaft in die Kirche pickt am kunstvoll hergerichteten Gesicht der Leiche herum. Dass er zum Schluss in der Kartoffelsuppe ertrinkt, ist geradezu folgerichtig.

Komik und Tragik halten sich in diesem flotten, lesenswerten Roman die Waage. Emma Braslavsky, geboren 1971 in Erfurt, ist viel in der Welt herumgekommen. Mit ihrem Roman ist sie nach Hause zurückgekehrt.

Dass sie 20 Jahre nach dem Mauerfall ihrer verschwundenen DDR-Heimat ein Denkmal setzt, ist ehrenwert. Wie authentisch die Geschichte ist, kann ein Westler wie ich, leider nicht nachvollziehen.

Bewertung: ****

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Lauter Lesenswertes

Sittich Cowboy und die acht Geschwister

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