Isabella Huser „Das Benefizium des Ettore Camelli“, 327 Seiten, 23 €, Bilger, ISBN: 978-3037620007;

Ein kleines Land, neutral und selbstbewusst. Und immer wieder gebiert die Schweiz neue, interessante Autoren: Alain Claude Sulzer etwa oder nun Isabelle Huser: Zwei Lebensgeschichten aus zwei Epochen erzählt die Züricher Autorin  in ihrem viel beachteten Debutroman.

Heather Hughan ist Journalistin in New York. Sie nimmt eine Auszeit, ein Sabbatical, und besucht Venedig. Zum Touristen-Pflichtprogramm dort gehört die Friedhofsinsel San Michele. Zufällig – und das ist eine der wenigen Ungereimtheiten der faszinierenden Geschichte – zufällig also entdeckt sie einen Grabstein, dessen Relief sie kennt, es findet sich auch auf einem Erbstück ihres holländischen Großvaters.

Heather macht sich auf die Suche nach der Verbindung und gelangt ins Trentino, in eine Ortschaft namens Versano. Dort lebte hundert Jahre vorher Ettore Camelli. Eigentlich plante er nach Amerika auszuwandern, kehrte noch einmal in sein Heimatdorf zurück und blieb dann dort, um den Lebensmittelladen zu übernehmen.

„Angefangen hat es damit, dass ich einen Roman über meinen italienischen Grossvater Ettore schreiben wollte“, erzählt Huser in einem Interview mit der Berner Zeitung. „Der Vater meiner Mutter ist zwar vor meiner Geburt gestorben; aber dank ihren Erzählungen hat er doch meine Kindheit begleitet, als faszinierende Figur aus einer fernen Zeit.“

Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein Benfizium, ein von einer Familie gestiftetes Stück Land. Dessen Ertrag kommt über Generationen dem (katholischen) Priester zu, einem Mitglied der Familie. Bei den Camelli handelt es sich um einen Weinberg, um den Jahrhunderte lang erbittert gestritten wird. Ettore erzählt davon, als er 1944 im Sterben liegt. Er blickt zurück in seine Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg, den Niedergang in den 20er Jahren, den Faschismus und den nächsten Krieg.

Oral History contra Aktenrecherche, Geschichte von innen und Geschichte von außen – und beides zusammen ergibt ein Gesamtbild. Isabella Huser erschafft ein komplexes Familienbild, sehr detailreich, sie arbeitet mit Rückblenden, mit kurzen Schnitten – wie in einem Film.

Kein Wunder, denn die gelernte Übersetzerin ist Filmproduzentin. Ihr „Epoca – The Making of History“ wurde bei den Filmfestspielen in Berlin uraufgeführt.

Ein komplexes, faszinierendes Debüt.

Bewertung: *****

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Lauter Lesenswertes

Familiengeschichte in allen Zeiten

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