So ist’s recht: Oberbayern steht in diesem Roman im Mittelpunkt. Norbert Niemann hat sich allerdings für seine gut 600 Seiten allerhand vorgenommen. Der Kulturredakteur Asgar Weidenfeldt kehrt aus Berlin zurück, in seine Heimat am Chiemsee, zu einem Fest der Mutter. Und hier, in der Provinz, entfaltet sich das gesellschaftliche Spektrum in seiner ganzen Breite.
Die große weite Welt im Kleinen: Niemann lässt es nicht an Personen mangeln: Lokalpolitiker, Rathaus-Mitarbeiter, Lokalprominenz, Künstler und eben Weidenfeldts Mutter, eine gealterte Schauspielerin, die vom Ruhm alter Fassbinder-Zeiten träumt. Und dann ist da noch Marja, eine junge Frau, die davon träumt, berühmt zu werden. Jede dieser Personen steht für eine eigene Denkrichtung – nach hinten gewandt oder nach vorne, altruistisch oder hedonistisch.
Niemann verfolgt seine Personen wie mit einer Kamera, von allen Seiten, und lässt seine Geschichte dahin fließen wie einen breiten Strom. Ein riskantes Verfahren: Der Autor pendelt immer zwischen gnadenloser Langeweile und der möglichen Spannung, die sich aus einer überspitzten Darstellung dieses Mikrokosmos‘ entwickeln könnte. Leider bleibt der Autor meist zu gewöhnlich.
„Alles, was existiert, hat Belang. Für den Menschen; er merkt, was geschieht, und fühlt sein Verfehlen“, zitiert Niemann als Motto für den „Tag der Erinnerungen“ den englischen Schriftsteller und Thomas-Mann-Schwiegersohn Wystan Hugh Auden. Ein wahres Wort, nur muss der „Belang“ auch fühlbar sein für den Einzelnen. Noch mehr, im Roman muss das, was geschieht auch den Leser berühren, der damit nichts zu tun hat. Und dies schafft Niemann leider oft nicht – trotz seines außerordentlichen sprachlichen Könnens.
Eins bleibt gleichwohl haften: Zwischen Metropole und Provinz gibt es keinen Unterschied mehr. Ob enttäuschte Hoffnungen oder kühne Träume, es ist egal, wo man sich befindet.
Bewertung: ***
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