Xiaolu Guo „Kleines Wörterbuch für Liebende“, 349 Seiten, 19,95 €, Knaus, ISBN: 978-3813503043;
Chinesische Literatur, da denkt man an Reispapier, merkwürdige Schriftzeichen und Tusche. Aber nichts dergleichen: Xiaoglu Guo (35) ist eine Weltenwanderin. Sie wuchs in einer Kleinstadt im Süden Chinas auf, ihr Vater war inhaftiert worden. Sie studierte in Peking und lebt seit sechs Jahren in London. Inzwischen ist die Schriftstellerin hier wie dort ein Star, in China allerdings mehr inoffiziell.
Zhuang Xiaoqiao, kurz Z., wurde von ihrer Familie nach England geschickt, um die Sprache zu lernen und eine zukunftsträchtige Ausbildung zu bekommen. Aber der Westen verwirrt sie. Wasser, dem Kohlensäure zugesetzt wird, Menschen, die kein Fleisch essen, Leute, die sich den kollektiven Bedürfnissen verweigern, unfreundliche Taxifahrer – alles ist neu, verwirrend und irgendwie bedrohlich.
Die neuen Vokabeln, die Z. lernt, trägt sie in ihr persönliches Wörterbuch ein. Gut fühlt sie sich nur im Kino. Dort frönt sie ihren Sehnsüchten, es geht um Liebe. Und dann trifft sie ihn, einen in die Jahre gekommenen Althippie. Sie entwickelt Leidenschaft für den 20 Jahre älteren, sie hat mit ihm ihren ersten Sex.
Aber der Beziehungsalltag ist erneut verwirrend, und als Z. in seinen Tagebüchern liest, dass er ein „Drifter“ ist und bisher keineswegs monogam gelebt hat, ist sie entsetzt: „Du schreibst, du hast nur eine Sache – ,Sex und Affären‘ … immer und überall nur du, in jede Wort, jede Satz, jede Seite.“
Guo hat ihren Roman in einem kunstvollen Pidgin-Englisch geschrieben: Chinesische Syntax, englische (hier natürlich deutsche) Worte. Das macht den Reiz dieser bizarren Ost-West-Geschichte aus, in die Guo viele ihrer eigenen Erfahrungen eingebaut hat. Das hat einen ungeheuren Charme. Stück für Stück begleiten wir Z. auf ihrer Entdeckung des Westens.
In einem Interview sagte Guo: „Für mich ist Sprache das Wichtigste zwischen Mann und Frau. Die Sprache ist deshalb auch das Hauptthema meines Buches und prägt dessen Charakter. Die beiden Liebenden streiten, weil es dauernd zu Missverständnissen kommt und sie die Kultur des anderen nicht verstehen oder falsch verstehen.“
Bewertung: ****
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