Wer an polnische Literatur denkt, dem dürfte als erstes Stanislaw Lem einfallen – der geniale Fabulierer ist nicht jedermanns Sache gewesen. Mit Mikolaj Lozinski hat nun ein ganz anderer polnischer Autor die literarische Bühne in Deutschland betreten – raffiniert wie Lem, europäisch denkend und mit einem aktuellen Thema, einer Mutter-Sohn-Beziehung.
Daniel hat den Kontakt zu seiner Mutter lange schon abgebrochen. Als er von ihrem Tod erfährt, kehrt er zurück in seine Heimatstadt Paris. Was er dort über Astrid erfährt, zwingt ihn vor allem, sein eigenes Leben in Frage zu stellen. Für einen 25-Jährigen ist dies ein ausgesprochen reifer Roman.
Lozinski, Sohn eines Dokumentarfilmers verkörpert ein neues, ein westliches Polen. Er studierte Soziologie an der Pariser Sorbonne, lebte einige Zeit in Berlin und ist inzwischen wieder in Warschau. Er ist erfolgreich als Fotograf und jetzt auch als Schriftsteller – „Reisefieber“ ist sein Roman-Erstling.
Auf der Spur seiner Mutter will Daniel jene Menschen treffen, die seiner Mutter in ihren letzten Jahren nahe standen, ihren Arzt, ihre Therapeutin, ihre Halbschwester und natürlich ihren Liebhaber. In Daniel formt sich ein ganz neues Bild seiner Mutter. Hat er ihr unrecht getan, als er sich von ihr trennte?
Der junge Mann bekommt einen neuen Zugang zu seiner Gefühlswelt. Er sucht nach Erkenntnis, nach dem „Code für all das, was in den achtunddreißig Jahren mit ihm geschehen war“. Daniel hat zwangshafte Verhaltensmuster. So schneidet er ständig seine Fingernägel.
Die Spurensuche nach seiner Mutter führt ihn tief zurück in seine Kindheit. „Bruchstücke von Erinnerungen tauchten vor seinen Augen auf, er nahm vergessen geglaubte Gerüche wahr, hörte Musik von einer kratzenden Schallplatte.“ Ein Urlaub in Griechenland, aber auch die aktuelle Beziehung zu seiner Lebensgefährtin Anna, sie alle zeugen von einem verborgen gehaltenen Familiengeheimnis, das alles bestimmt.
Hervorragend!
Bewertung: ****
Short URL for this post: http://bit.ly/9Mq0sGlang="de">