Noch ein Zeitenwende-Schriftsteller: Ahmet Hamdi Tanpinar (1901-1962) ist ein Chronist des Ancient-Regime. Europa hatte er bereist und begegnete ihm mit Sympathie, sein Herz aber gehörte dem untergegangenen Osmanischen Reich, wovon „Seelenfrieden“, laut Orhan Pamuk „der bedeutendste Roman, der je über Istanbul geschrieben wurde“, ein beredtes Zeugnis abgibt.
„Seelenfrieden“, erschienen 1946, galt lange Zeit als unübersetzbar – aufgrund seiner extrem bildhaften, anmutigen Sprache, die sich in Beschreibungen über das alte Istanbul ergießen und die Seelenzustände des Romanhelden Mümtaz plastisch machen.
„Süchtig“ mache das Buch, behauptet die „Welt“ und die „neue Züricher Zeitung“ vergleicht Tanpinar gar mit Marcel Proust. Verdammt große Stiefel werden da hingestellt, in die der ehemalige Hochschullehrer und kemalistische Abgeordnete durchaus hineinpasst. Denn „Seelenfrieden“ vermittelt ein Bild der uralten Metropole, das in die heutige Zeit der Megacitys kaum mehr übertragen werden kann.
Es geht um den jungen Historiker Mümtaz, der einen kranken Cousin Ihsan pflegt, sich um dessen Haushalt, Geschäfte und dessen unberechenbare Frau kümmert. Dabei hat er vorwiegend Sorge, die eigene Geliebten zu verlieren, mit der er einen traumhaften Sommer verbracht hatte.
All dies ist sehr breit, aber gleichwohl kurzweilig erzählt, in einer Sprache, die einem tiefe Einblicke in die Gründerjahre der türkischen Republik vermittelt, in der die Erinnerung an das osmanische Erbe noch nicht verloren gegangen war.
Eine lebendige, tiefgreifende Beschreibung der alten Türkei.
Bewertung: ****
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