Halide Edip Adivar „Die Tochter des Schattenspielers“, 580 Seiten, 24,90 €, Manesse, ISBN: 978-3717521648;

Wofür doch ein Mega-Ereignis wie die Buchmesse gut ist: Sie bringt uns die Türkei in einer bisher nicht geahnten Weise näher. Beispiel: Halide Edip Adivar. Die bei uns kaum bekannte Schriftstellerin, Revolutionärin und Frauenrechtlerin war eine der bedeutendsten Türkinnen zur Zeit der Republikgründung.

Es ist ein Verdienst von Verlagsmulti Randomhouse, einen der wichtigsten Romane der Adivare wieder zu entdecken – in handlichem Format, in feinem Leinen, in der schön ausgestatteten „Manesse Bibliothek der Weltliteratur“.

Halide Edip erlebte den bedeutendensten Wandel ihres Heimatlands aktiv mit. Geboren 1884 in Istanbul wuchs sie im Osmanischen Reich in einer angesehenen Familie am Hofe des Sultans auf. Sie bekam Privatunterricht von bedeutenden Gelehrten und wurde Lehrerinnen – damals eine für eine Frau sehr ungewöhnliche Karriere.

Sie heiratete, trat öffentlich auf (ebenso ungewöhnlich), ließ sich scheiden, schloss sich den revolutionären Jungtürken an und schrieb Romane, die auch ins Deutsche übersetzt wurden. Dort nannte man sie in sozialistischen Kreisen „die bewährte Führerin der türkischen Frauenwelt“.

Gegen Ende des Ersten Weltkriegs half sie Waisenkindern, armenischen Opfern des türkischen Völkermords. Sie heiratete einen Revolutionär, Adivar, und schloss sich den Truppen von General Kemal Pascha an. Drei Jahre nach der Staatsgründung wurden sie und ihr Mann des Verrats am Staatspräsidenten bezichtigt, worauf sie nach Frankreich, England, die USA und Indien emigrierte.

Erst 1940 durfte sie, inzwischen wieder voll rehabilitiert, zurückkehren und wurde Professorin für Englische Literatur. 1964 starb sie, hoch angesehen, als 80-Jährige in ihrer Geburtsstadt. „Die Tochter des Schattenspielers“ schrieb sie 1935 auf Englisch.

Sie schildert darin das Leben gegen Ende des Osmanischen Reichs, das einst den Balkan umfasste, den Nahen Osten und ganz Arabien. Sie führt uns in eine fremde Welt, in wo die Kleine-Leute-Viertel in Istanbul, wo die kleine Rabia den Koran so schön vorträgt, das man auf sie aufmerksam wird und sie am Hofe des Sultans aufgenommen wird.

Dort begegnet sie aller Pracht des Orients, den Geheimnissen des (heute wieder in der Türkei weit verbreiteten) Sufismus – und einem italienischen Klavierlehrer. Und sie lernt die Wahrheit über sich, als „Tochter des Schattenspielers“ …

Ein Buch für Türkei-Liebhaber, die mehr wissen wollen.

Bewertung: ****

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Lauter Lesenswertes

Eine Geschichte aus Türkischundeiner Nacht

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