Katharina Faber „Fremde Signale“, 329 Seiten, 23 €, Bilger, ISBN: 978-3908010906;
Wie erzähle ich auf über 300 Seiten das Leben eines ganz und gar gewöhnlichen Menschen, ohne dass es langweilig wird? Die Schweizer Katharina Faber bedient sich eines ungewöhnlichen Kunstgriffs. Sie lässt das Leben der Heldin Katharina Faber von drei Menschen aus deren persönlicher Perspektive darstellen. Das Besondere: Alle drei „Schutzengel“ sind schon lange tot.
Da wäre das französische Bauernmädchen Linette Grandchance, 1760 geboren und mit 16 Jahren an einer Hirnhautentzündung gestorben; dann Michail Sledin, geboren 1925 in Moskau, starb als 17-Jähriger im Feld; und schließlich Boris Tomba. Der New Yorker starb 1951 an Krebs. Als Tote in so einander Art Zwischenraum sollen sie um Katharina kümmern – jeder mit seinen eigenen Erwartungen und Empfindungen.
Und gerade dieses Durcheinander, diese wechselnden Perspektiven, machen die „Autobiografie“ so interessant, so spannend. Die drei Erzähler fallen sich auch mal ins Wort, sie widersprechen sich und interpretieren Katharinas Gegenwart unterschiedlich, ebenso wie die Gesellschaft im ausgehenden 20. Jahrhundert.
Katharinas schöne Jugend in der Schweiz, dann der Ausbruch in der 68er Zeit und eine Erweiterung des eigenen Horizonts, die Familie, eine Krebserkrankung und zuletzt das Schreiben. Blass bleibt dies bisweilen in der Gegenständlichkeit, kühl geradezu, aber das ist Methode.
Aus Bescheidenheit (oder warum sonst?) rückt die Autobiografin nicht sich in den Vordergrund, sondern die Wahrnehmungen ihrer drei Schutzengel. Es geht also um Interpretation und Erinnerung und das Erzählen an sich.
„Was wir übermitteln, kommt nicht aus einem Alphabet. Unsere Zeichen gleichen in nichts den Zeichen einer Sprache. Und wenn wir uns an Menschen wenden mit unseren Signalen, so sind es für sie: fremde Signale„, heißt es im Buch. Und irgendwann versteht Katharina. Und das Buch von Faber über Faber nimmt noch mal Fahrt auf. Mehr wird nicht verraten.
Bewertung: *****
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