Es gibt Bücher, die sind so ambitioniert, dass Wissenschaftler und Laien weltweit über sie diskutieren. Sie werden hochgelobt, und jeder Literaturinteressierte, der etwas auf sich hält, kauft sich dieses Buch. Aber wenn wir ganz ehrlich sind, bis zu Ende gelesen werden diese Bücher so gut wie nie. Das wird auch den neuesten Pynchon treffen.
Thomas Pynchon ist einer der geheimnisvollsten Schriftsteller auf Erden. Bekannt sind Geburtstag (8. Mai 1937) und Geburtsort (Glen Cove/Long Island) und aktueller Wohnort (New York). Ansonsten gelang es ihm wie keinem anderen sein Leben abzuschotten: Seit 45 Jahren gibt es kein öffentlich zugängliches Foto von dem Mann.
Umso begieriger werden seine Werke aufgesogen: „Gegen den Tag“ ist erst der sechste Roman des 71-Jährigen – die Literaturpäpste weltweit stellen den drei Pfund schweren Wälzer schon in eine Reihe mit James Joyce‘ „Ulysses“. Vielleicht wird’s ja diesmal was mit dem Literatur-Nobelpreis.
Worum geht’s? „Gegen den Tag“ erzählt in großer Komplexität, mit vielen Handlungen und Nebenhandlungen, detailreich und gut recherchiert, Geschichten, die einen Zeitraum umfassen zwischen 1893, als in Chicago die Weltausstellung stattfand, und Anfang der 1920er Jahre, als die Welt neu aufbrach nach dem ersten weltweiten Krieg.
Thomas Pynchon in dem von ihm geschriebenen Klappentext: „Während sich die weltweite Katastrophe schon am Horizont abzeichnet, beherrschen hemmungslose kapitalistische Gier, falsche Religiösität, tiefe Geistlosigkeit und böse Absichten an hohen Stellen das Bild.“
Sind wir dankbar darüber, dass Pynchon uns diese Zeilen hinterlassen kann, denn zu beschreiben ist dieses Buch nicht. Ich habe noch nicht die Hälfte geschafft und bin gefangen in einer fantastisch-tiefgründigen Welt, in Geschichten voller unerwarteter Wendungen, erzählt in einer epischen Tiefe und in einem Detailreichtum (auch was sexuelle Praktiken betrifft), den auch ich vorher nie gelesen habe.
Aber wo sind wir? Ist es unsere Welt oder eine Parallelwelt? Ob Antisemitismus oder Kolonialismus, quasi im Vorübergehen deutet Pynchon Ideologien und Irrwege. Es beginnt bei den Bergarbeiter-Unruhen in Colorado, und wir folgen den vielen Personen dieses Romans nach London und Göttingen, Venedig und Wien, auf den Balkan und nach Sibirien.
Kein Zweifel, der Mann ist hochgradigradif paranoid, hochgradig intelligent – und unglaublich von sich eingenommen. Höchstens „5 von 500“ seiner Freunde und Kritiker, so soll Pynchon gesagt haben, würden sein Buch verstehen. Unnötig zu erwähnen, dass der New Yorker Schriftsteller auch beim Buchtitel hoch gegriffen hatt: „Against the Day“, so das Original, meint die Zeit vor dem Jüngsten Gericht.
Bewertung (fällt mir schwer, aber ich werde diesen Roman irgendwann zuende lesen): *****
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