Vom Scheitern einer ganzen Generation

Bernhard Schlink „Das Wochenende“, 240 Seiten, 18,90 €, Diogenes, ISBN: 978-3257066333;

Das Vorbild ist unverkennbar Christian Klar, jener RAF-Terrorist, der – erinnern Sie sich noch? – im letzten Jahr nach langer öffentlicher Debatte nicht nach langer Haftstrafe vorzeitig begnadigt wurde. Jörg, die Hauptfigur von Bernhard Schlinks neuestem Roman, kommt frei – und trifft sich an seinem ersten Wochenende mit alten Freunden – eine Abrechnung.

Es ist die klassische bundesrepublikanische Verdränger-Intellektuellen-Klitsche, die in der verfallenen Villa in Brandenburg die eigene Geschichte reflektiert – oder eben nicht.

Denn weder der Journalist noch der Geschäftsmann, weder der Rechtsanwalt noch die Lehrerin – merken Sie’s? Schlink bedient all unsere Klischees – haben sich wirklich mit ihrer radikalen Vergangenheit auseinandergesetzt. Sie sind aus der Radikalität in die Bürgerlichkeit einfach hineingeschlittert. Von wegen 68er und Marsch der Institutionen.

Schlink konstruiert dieses Aufeinandertreffen der alten, längst entfremdeten Gefährden als ein Kammerspiel. Konstruiert ist dabei wörtlich gemeint, denn die Chance zu leben, gibt er seinen Figuren nicht. Stattdessen schiebt er sie wie Figuren auf einem Spielfeld hin und her.

Ist diese Statik vielleicht der eigentlich Profession Schlinks geschuldet? Der 63-Jährige ist Juraprofessor in Berlin. Andererseits hat Schlink nicht nur mit „Der Vorleser“ bewiesen, wie gut er sich auf dem literarischen Parkett zu bewegen vermag.

„Die Opfer eines Mordes können nicht mehr vergeben, und nur die Opfer haben das Recht zu vergeben, sonst niemand“, sagt Schlink in einem Interview – und positioniert sich damit klar in der gesellschaftlichen Diskussion des Jahres 2007.

„Das Wochenende“ ist der Roman des Scheiterns einer ganzen Generation. Einer Generation, die Ideale hatte, sich über Widerstand und Kampf definierte und dafür entweder in den Knast ging oder resignierte. Einer Generation, die nicht dadurch glänzt, dass sie sich mit ihrem Tun und Denken tatsächlich auseinandergesetzt hat.

Daran scheitert auch unsere Wochenend-Gesellschaft. Vom Mythos des RAF-Kämpfers bleibt nichts übrig. Dass Jörg dann auch noch an Prostata-Krebs leidet, holt ihn endgültig in die Normalität des Lebens zurück.

Und was bleibt? Irgendwie scheitert Bernhard Schlink an seinem großen Versuch – inhaltlich, aber noch mehr sprachlich. Er schuf eine Schullektüre für die gymnasiale Oberstufe. Liegt es daran, dass er selbst Teil dieser gescheiterten Generation ist?

Bewertung: ***

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Über Joachim

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3 Gedanken zu „Vom Scheitern einer ganzen Generation

  1. Wer sagt,dass sich diese Generation nicht mit ihrem Tun und Denken auseinander gesetzt hat?Eine Auseinandersetzung geschieht vor allem im eigenen Inneren und muss nicht in der Öffentlichkeit,die durch die Medien geprägt und beeinflusst ist,geschehen.Wenn der Opa am Tisch oder bei jeder sich bietenden Gelegenheit von seinen Kriegserlebnissen erzählt,findet in ihm auch eine Auseinandersetzung mit seinem Handeln statt;meist ist es jedoch nur ein verantwortungsloses Verherrlichen des eigenen Tuns,das durch die damaligen Umstände zu erklären versucht wird;Ausreden,um mit dem eigenen Handeln leben zu können.Verfälschung der Geschichte,um nicht an der Verantwort-lichkeit zugrunde zu gehen.Wie weit jemand sein Handeln öffentlich macht,sollte jedem selbst überlassen sein.Was Schuld und Scheitern betrifft…Worte…nicht mehr,als Worte!Dinge geschehen,
    wenn die Zeit dazu reif ist!

  2. Vielleicht ist die Frage falsch gestellt: Ist die Generation RAF nun gescheitert oder hat sie sich nicht mit ihrer Zeit, ihrem Tun auseinandergesetzt? Dass letzteres im Innern geschehen kann und womöglich im Rückzug endet, ist schon klar. Dann passiert genau das, was Du über den Opa und die Nazizeit erzählst: Es gibt kein Feedback. Die wahre Auseinandersetzung findet erst durch öffentlichen Diskurs statt. Unterschiedliche Meinungen sind der Stoff, der die Debatte weiterbringt. Dabei geht es um eine Gesamtbewertung, nicht um „Schuld und Scheitern“ des Einzelnen. Das, da stimme ich Dir zu, darf jeder mit sich selber ausmachen, solange er keinen anderen unmitelbar geschädigt hat.

    Die öffentliche Auseinandersetzung mit der Generation RAF beginnt gerade erst durch die Kunst (Filme, Bücher) und ist in der Gesamtgesellschaft noch nicht angekommen.

    Schöne Grüße
    Joachim

  3. Die öffentliche Auseinandersetzung mit der „Generation RAF“ist mittlerweile sehr wohl in der Gesamtgesellschaft angekommen und das auf eine sehr fragwürdige Weise.
    Ich lebe in einer Kleinstadt und hatte in dieser Zeit nur am Rande mit der Geschichte zu tun,da ich mich damals mit den hungerstreikenden Gefangenen solidarisierte.Als der Medienrummel losging,verlor ich meine Wohnung (in der ich 26 Jahre lebte),wurde gemoppt und diskriminiert.Systematisch wurde eine Hexenjagd veranstaltet,die ihren Höhepunkt immer dann hat,wenn die Medien mal wieder am Werk sind, in Form von Boulevardpresse,Filmen und Büchern. Gewaltprovokationen,Psychiatrisierung,Angstmachenwollen ist das,was ich tagtäglich erlebe und das unter den Augen der Gesetzeshüter.Die Auseinandersetzung ist also in der sogenannten Gesellschaft angekommen!
    Schöne Grüsse
    Isabella

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