Istanbul, Du bist keine Freude

Sabahattin Ali „Der Dämon in uns“, 349 Seiten, 19,90 €, „Türkische Bibliothek“ im Unionsverlag, ISBN: 978-3293100077;

Zurück in die Anfangszeit der 1923 gegründeten Türkei. Ein neuer Staat auf den Trümmern des zerfallenen Osmanischen Reichs, eine Gesellschaft im Aufbruch zwischen den aufkeimenden Ideologien, Kommunismus und Faschismus. Sabahattin Alis großer Istanbul-Roman wurde 2007, 67 Jahre nach Erscheinen, erstmals auf deutsch veröffentlicht.

Kaum eine Gesellschaft ist derzeit so zerrissen wie die türkische. Alis Roman belegt, dass dieses Phänomen kein Neues ist. 1940 erschien „Der Dämon in uns“, zunächst als Fortsetzungsroman in einer Zeitung. Dass es so lange dauerte, bis das berühmte Werk übersetzt wurde, ist kein Ruhmesblatt.

Ein Liebesroman: Ömer fährt auf den Bosporus und trifft Macide. Er kennt sie, das trifft ihn im Herzen. Der unbedarfte Jüngling, ein Postangestellter, ist fasziniert von der schönen Musikstudentin, die aus dem selben Ort kommt wie er. Macide verlässt ihr altes Leben und zieht zu Ömer. Sie lieben sich und genießen das Leben …

Es geht um Heimatlosigkeit, um Reich und Arm, um Auf- und Abstieg. Der gescheiterte Student Ömer verliert trotz des persönlichen Glücks immer mehr den Boden unter den Füßen. Die „Dämonen“ gewinnen die Oberhand, die Selbstzweifel, die Unsicherheit . Die beiden scheitern, oder scheitern sie nicht?

Sabahattin Ali, geboren 1907 als griechischer Türke und Sohn eines fortschrittlichen Offiziers, malt ein Sittenbild Istanbuls, das gerade erst von Ankara als Hauptstadt abgelöst worden ist. Ali galt in seiner Zeit als Linker. Er wurde als Schriftsteller verfolgt und möglicherweise umgebracht. Jedenfalls wurde er 1948 an der Grenze nach Bulgarien, wohin er offenbar fliehen wollt, ermordet. Bis heute liegen die Umstände der Tat im Dunkeln.

Drei Jahre lang, von 1928 bis 1930, hatte Ali in Deutschland gelernt, war Lehrer geworden. Und er war in Konktakt mit dem Sozialismus gekommen. Seine klare Sprache macht Ali zum Volksdichter. In „Der Dämon in uns“ stecken viele autobiografische Elemente.

Bewertung: ****

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2 Gedanken zu „Istanbul, Du bist keine Freude

  1. Hallo Joachim,

    danke, für den sehr interessanten Kommentar zu „Das Haus der Lerchen“ auf meinem Blog!
    Ich werde mir das Buch mal näher anschauen.

    LG,
    Nerolaan

  2. Pingback: Lauter Lesenswertes » Blog Archiv » Eine deutsch-türkische Liebesgeschichte

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