Was ist Realität? Was Fiktion? Ist das ganze Leben wirklich so, wie es scheint. Spätestens seit der unvergleichbaren „Matrix“-Trilogie stellen wir uns diese Frage. Inzwischen hat das Leben uns eingeholt. „Second Life“ ist für viele der Ersatz für wirkliche Probleme. Der Journalist Tim Guest ist in diese Welten eingetaucht.
Ist „Second Life“ nur eine dieser vielen Internet-Hype-Cyberspace-Geschichten? Wohl nicht, auch wenn der Stern dieser virtualisierten Wirklichkeit zuletzt zu sinken schien, es sind noch immer um die 70 Millionen Menschen – also fast so viele wie es Menschen in Deutschland gibt, die einen Teil ihres Lebens in Bits und Bytes stecken.
Für die meisten von ihnen ist „Second Life“ so real wie eine reale Welt, ein Teil ihres Lebens, auch wenn die Bits an Bytes nur ein Bild sind. Sex ist die gefragteste Ware in dem Online-Land, ganz wie in der Wirklichkeit.
Dort werden zum Beispiel Ehen geschlossen, von Menschen, die sich nie wirklich gesehen haben, die nicht einmal über das Land Bescheid wissen, in dem ihre Schöpfer leben, geschweige denn, dass sie deren Geschlecht kennen. Egal, für wie bekloppt man dies halten mage und wie gering die juristische Wirksamkeit solcher Vorgänge ist – für die Spieler ist all dies real.
Und warum jemand so etwas. Tim Guest, Journalist, 30 Jahre alt, gibt eine mögliche Antwortschon im Titel seines Buchs: „Die Welt ist nicht genug.“ Die Menschen fühlen sich von ihrer Realität eingeschränkt und streben in die (angebliche) Unendlichkeit virtueller Welten.
Guest ist auf eine Reise durch diese Sphären gegangen, hat Außenseiter „besucht“, etwa eine Gruppe schwerstbehinderter Menschen, die so ein zweites, normales Leben geschaffen haben. Er besucht einen Mafioso, der sich in Second Life tatsächlich erfolgreich mit Erpressung durchschlägt.
Interessanter als diese Freaks sind allerdings die Beschreibungen der vielen „normalen“ Menschen im zweiten Leben. Sie leben dort ihren Alltag nach, aber vielleicht nicht in Pusemuckel in der Provinz, sondern als Weltbürger im virtuellen New York, Paris oder Tokio.
Einen Fehler aber hat dieses Buch. Buch ist das falsche Medium zur Beschreibung solcher Phänomene. Sie entwickeln sich schnell, fallen aber auch genauso schnell wieder zusammen. „Second Life“ ist ein Beispiel dafür: Nach einem Hype vor gut einem Jahr ist es aus den Medien wieder völlig verschwunden.
Ein weiteres Problem ist neben einer nicht eben virtuosen Übersetzung ist die Zielgruppe: Für jene, die sich in der Virtualität etwas auskennen, ist das Buch zu banal, für Laien aber mitunter zu schwierig. Trotzdem stehe ich zu Guests Werk. Und wenn ich in 20 Jahren mal wieder drin rumblättere, werde ich mich wundern, was die Leute im ersten Jahzehnt des 21. Jahrhunderts für Sachen getrieben haben.
Bewertung: ***
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