Heim, Heimat, Haus – Heimsuchung. Was für ein Buchtitel. Hier steckt alles drin, die Zuflucht genauso wie das Unglück. Jenny Erpenbeck, Kind der DDR, konzentriert eine Jahrhundertgeschichte auf ein einziges Gebäude. Zwölf Lebensgeschichten, verbunden durch ein Haus am idyllischen Scharmützelsee, nicht weit von Berlin.
Erpenbeck, 1967 in Ostberlin geboren, wagt viel – und sie gewinnt. Ihr Ansatz ist ein journalistischer. Die individuelle Geschichte lässt auf das große Ganze schließen. Durch den Rückgriff auf die Eiszeit und deren geländeformende Wirkung zeigt sie, wie klein die Wirkung des Menschens doch ist – der Klimaveränderung und allen anderen Umweltfaktoren zum Trotz.
In der brandenburgischen Provinz bündelt Erpenbeck deutsche Geschichte. Das Haus am See, erbaut im Kaiserreich überdauert es Sozialismus und Kapitalismus. Die Heimsuchung beginnt mit einem Gärtner, der ein Idyll schafft und erhält. Es folgt der Architekt, der Beruf Heimat schafft und das Haus jüdischen Tuchfabrikanten abkaufte, und dann kommt die Sowjetarmee, die zerstört, was besteht und was lebt, wie die Hausbewohnerin, die vergewaltigt wird.
Es folgen eine kommunistische Schriftstellerin, Erpenbecks Großmutter, die an ihren Idealen scheitert. Die Enkelin erlebt dies hautnah mit, in dem Idyll ihrer Kindheit. Und nach der Wende sind es Alteigentümer, die Ansprüche und Wirklichkeit zusammenbringen können.
Erpenbeck schildert diese Geschichten nicht chronologisch, sie arbeitet in Vor- und Rückblenden. Ihr Buch thematisiert Heimat, ohne ins Idyllische abzugleiten. Sie beschreibt den Verlust von Heimat, mit dem Haus im Mittelpunkt. „Wer baut, klebt nun einmal sein Leben an die Erde“, heißt es.
In Heimsuchung steckt nicht nur Heim, sondern auch suchen. Und im Idealfall finden. Jenny Erpenbeck hat gefunden – und lässt uns daran teilhaben.
Bewertung: *****
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