Gedichtswelt eines verfolgten Nationalpoeten

Nâzim Hikmet „Die Namen der Sehnsucht“, 220 Seiten, 29,90 €, Ammann, ISBN: 978-3250104407;

Ein wunderschönes Buch – wie man es vom Schweizer Verlag Ammann kennt, liebevoll editiert und zweisprachig, die Gedichte des türkischen Nationaldichters Nâzim Hikmet. Sie stehen für die moderne Türkei. In der Übersetzung von Gisela Kraft entwickeln sie eine nahezu magische Energie.

Die Auswahl der Gedichte ist eine Reise zu den Lebensstationen Hikmets: vom zarten Debüt des Elfjährigen aus Istanbul bis hin zur ironischen Skepsis im Moskauer Exil. Sie vollzieht seinen künstlerischen Werdegang nach und zeigt den Dichter in allen seinen Wandlungen: als Liebenden und Freund, als Kämpfer und Agitator, als Romantiker und avantgardistischen Sprachspieler. Hikmets Ton ist mal zweifelnd, verzweifelnd, mal maßlos mutig, mal lakonisch komisch – aber immer voll poetischer Intensität.

Hikmet, wie er sich nach der türkischen Staatsgründung (als jeder Bürger einen Nachnamen haben muss) in Anlehnung an seinen geliebten Vater nennt, ist ein Kind des osmanischen Reiches. Die Vorfahren sind zum Teil polnischer und deutscher Abstammung, ein Urgrossvater mütterlicherseits war der als Karl Detroit in Brandenburg geborene Generalstabschef der osmanischen Armee, Mehmed Ali Pascha.

Im türkischen Befreiungskampf 1921 flüchtet Hikmet aus Istanbul nach Anatolien und lernt dort das Leben der einfachen Menschen kennen. Er studiert in Moskau, kehrt zurück und wird Mitglied der verbotenen Kommunistischen Partei der Türkei. Er wird inhaftiert, er geht zurück nach Moskau. 1938 wird er zu 28 Jahren Haft verurteilt und kommt erst 1950 endgültig frei. Seine letzten Jahre verbringt er in Moskau. In seiner Heimat wird er zum Nationalhelden.

„Nâzim Hikmet hat es trotz Verfolgung, Publikationsverbot und Exil geschafft, die türkische Literatur nachhaltig zu prägen. Dazu gehört es, dass er die osmanische Versform überwindet und vielfältige (vor allem sowjetische) Einflüsse der Moderne aufnimmt. Dabei drückt er neben einem sozialrevolutionären Pathos immer auch eine Heimatverbundenheit mit dem einfachen Volk und zugleich eine Ablehnung jedes romantisierenden Orientalismus aus.“ (Wikipedia)

Leben wie ein Baum
einzeln und frei
und brüderlich
wie ein Wald
das ist unsere Sehnsucht

Nâzim Hikmets Gedichte ins Deutsche zu übersetzen, ist schwer. Das Türkische ist fremdartig, gehorcht in Syntax und Grammatik ganz anderen Regeln. Gisela Kraft ist eine Nachdichtung gelungen, die aus Hikmets Lyrik etwas Neues macht. Den Charakter der Gedichte hat sie erhalten, deren Emotionalität. Das ist die wahre Kunst.

Bewertung: *****

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3 Gedanken zu „Gedichtswelt eines verfolgten Nationalpoeten

  1. Hallo,

    ich bin durch Zufall auf euren Blog gestoßen und es freut mich sehr zu sehen, dass ihr meinen verlinkt habt 🙂

    Euer Blog ist sehr interessant, obwohl ich viele Bücher nur vom Hören-Sagen kenne; aber ich werde öfter vorbeischauen.
    Gefällt mir 🙂

    LG,
    Nerolaan

    P.S.: Hoffe ich darf euch auch auf meinem Blog verlinken?!

  2. Danke für das Lob. Klar, darfst Du uns verlinken. Ich habe mich eh schon gefragt, wann das passiert. :-))
    Herzliche Grüße
    Joachim

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