Rätselhafte Türkei, Land der Gegensätze. Der Auslandsreporter Hans-Joachim Löwer hat zur Beschreibung der „heutigen Türkei“, so der Untertitel des Buchs, ein journalistisches Format gewählt: Reportagen oder Porträts, wie er sie nennt. Leider reizt er die Möglichkeiten nicht aus.
Von Nordost nach Südwest und wieder rauf in den Norden bis nach Istanbul führte Löwers Reise – zu Fuß im Minibus, per Anhalter, immer auf Tuchfühlung mit den Einheimischen. Er wandert über Hirtenpfade durch das Gebirge an der georgischen Grenze. Ganz tief in Ostanatolien besucht er in Erzurum eine bettelarme Tagelöhner-Familie.
Er trifft auf zurückgekehrte, ehemalige Gastarbeiter – Wanderer zwischen zwei Welten. Und er spricht mit zivilen Opfern des Kurdenkriegs, deren Dorf zwischen die Fronten geriet. An seine Grenzen kommt Löwer, als er versucht, mit islamischen Führern ins Gespräch zu kommen. Sie lassen ihn abblitzen – ein Indiz für den gesellschaftlichen Spalt zwischen Laizismus und Islam, der die Türkei durchzieht.
Den thematisiert der ehemalige Stern-Reporter aber nicht wirklich. Immer dann, wenn die Politik ins Spiel kommt, werden die Geschichten oberflächlich. Löwer versteht es, Menschen zu porträtieren. Die tatsächliche Zerrissenheit der Türkei, die sich ganz aktuell im Verbotsverfahren gegen die mit 47 Prozent regierende AK-Partei zeigt, erfasst Löwer nicht.
Sein Handicap ist natürlich, nicht türkisch zu sprechen und auf Dolmetscher angewiesen zu sein. Gleichwohl sucht er immer wieder die Perspektive der Türken, will wissen, was die von Europa halten, hört, dass sie sich im Demokratieprozess im Stich gelassen fühlen. Gerade an solchen Stellen kommt ihm sein lockerer Plauderton zugute.
Ein Buch, das eine gute Einführung in das Denken von „Atatürks Kindern“ oder besser Enkeln ermöglicht. Wer aber tiefer einsteigen will in die Türkei-Problematik, dem sei Sibylle Thelens auf Istanbul fokussiertes „Stadt unter Strom“ empfohlen. Die Stuttgarter Journalistin ist der Türkei wesentlich näher gekommen.
Bewertung: ***(*)
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