Man ist nicht nur, was man isst. Man ist auch, wie man wohnt. Das überrascht nicht wirklich, aber so pointiert wie der in der Schweiz geborene Wahl-Londoner hat sich bisher noch kein Schriftsteller mit der „Kunst, daheim zu Hause zu sein“ befasst. Die sechs Essays sind so geschrieben, dass auch schlichtere Gemüter sich darin wiederfinden.
Die Suche nach dem Glück ist das Motiv in allen Büchern des sprachbegabten Enddreißigers. Und so verknüpft er diesmal die Sinnfrage mit der Außenwelt. „Der Ort, an dem wir uns befinden, entscheidet eine Menge über unsere Stimmungen“, sagt de Botton. Das heißt, wer sich gut fühlt, zufrieden ist, wird auch sein Wohnumfeld entsprechend gestalten.
Der Umkehrschluss gilt indes nicht: Schönes Wohnen ist kein Indiz für gute Menschen. Tatsächlich ist Diktatoren und Verbrechern in der Geschichte der Architektur so mancher große Wurf gelungen. De Botton erläutert diese Zusammenhänge nicht nur erzählerisch, sondern auch per Bild und macht seine Thesen auf diese Weise besonders anschaulich.
Je nach dem Ort, an dem wir uns befinden, verändert sich auch unsere innere Haltung: Im Dom zu Straßburg können wir uns der Faszination nicht entziehen und werden so für den Moment selbst zu Gläubigen. Das Bauhaus in Dessau vermittelt uns ein anderes Gefühl, und – zum Beispiel – das Wohnzimmer einer Villa von Herman Muthesius in Berlin versetzt uns ein großbürgerliches Lebensgefühl. Architektur kann Glück bringen – und das Gegenteil natürlich auch, wie ein Blick ins Athen der Neuzeit deutlich macht.
Je klarer die Architektur, umso wirkungsvoller ist sie „Unverbindlichkeit hilft uns nicht weiter“, sagt de Botton. Wie man sich einem Haus nähert, ergibt sich auch daraus, ob es eine Aussage hat oder nicht. Und das gilt für das Einfamilienhaus ebenso wie für das Sportstadion. De Botton: „Ein einfacher Türgriff, der uns durch seine schlichte Form ansprach, vermochte so zugleich an die Tugenden Bescheidenheit und Mäßigung zu gemahnen …“
Eiun Buch voller Überraschungen und mit faszinierenden Blickwinkeln. Ein Buch, das eine Aussage hat – was selten genug ist. Ein Buch auch für Laien, die bereit sind, den Perspektivwinkel mitzugehen. Glückwunsch!
Bewertung: *****
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