Elizabeth Subercaseaux „Eine Woche im Oktober“, 200 Seiten, 18 €, Pendo, ISBN: 978-3866121546;
Was gibt es Wichtigeres als die Wahrheit? Kann eine Beziehung funktionieren, in der es zwischen den Partnern keine Klarheit gibt? Sie kann, beziehungsweise, die Antwort auf diese Frage ist die Frage nach dem Anspruch. „Eine Woche im Oktober“ ist ein ganz besonderes Buch, ein Buch über Lügen und fehlende Klarheit.
An dieser Stelle erwähnen Rezensenten gerne, dass die Autorin mit dem französisch klingenden Namen nicht in Kanada lebt, sondern in Chile. Sie erwähnen aber vor allem, dass Elizabeth Subercaseaux die Ururenkelin von Robert und Clara Schumann ist, was eigentlich nichts zur Sache tut. In den 1960er Jahren arbeitete die heute 63-Jährige in Spanien als Journalistin, nach der Rückkehr in ihr Heimatland bekämpfte sie schreibend aus dem Untergrund heraus Chiles Diktator Pinochet. Inzwischen schreibt sie nur noch Bücher.
Es ist die Geschichte des Ehepaares Clara und Clemente. Mit 46 Jahren bekommt sie die tödliche Diagnose: Brustkrebs. Ein Jahr später findet ihr Mann Clemente ihr Tagebuch. Er liest es und lernt eine Frau kennen, die mit „seiner“ Clara nur wenig zu tun hatte. Nicht nur, dass sie ihre Ehe als hohl und leer beschreibt, nicht nur, dass sie längst weiß, dass er eine Affäre hat, auch sie hat offensichtlich einen Liebhaber – oder doch nicht?
Fast greifbar ist das Unvermögen des Paares, vor allem Clementes, miteinander zu kommunizieren. Zwischen all den Lügen ist ihre über 20 Jahre andauernde Verbindung nurmehr „ein stabiles Konstrukt aus streit-, aber auch leidenschaftsloser Einförmigkeit“, wie es an einer Stelle des mit „Eine Woche im Oktober“ überschriebenen Tagesbuchs heißt.
Bis zu Claras Tod schafft es ihr Mann nicht, darüber mit ihr zu reden. Aber auch Clara gelingt es trotz der Provokation durch ihre Aufzeichnungen nicht, mit ihrem Mann ins Gespräch zu kommen. Was ist die Wahrheit? Wo ist die Klarheit? Die Chance des Tagebuchs, sich selbst einmal mit den Augen seiner Frau zu betrachten, nimmt der ängstlich-eifersüchtige Clemente nicht an.
Eine feine Geschichte, fesselnd – und so typisch – nicht allein für Lateinamerika, sondern auch für unsere Gesellschaft: Wie viele langjährige Beziehungen sind längst unter einem Geflecht von Lügen, von Verletzungen, von NIchtausgesprochenem erstickt? „Die Wahrheit beginnt zu zweit“ heißt ein empfehlenswertes Buch des Psychotherapeuten Lukas Moeller. Die Kernthese: Kommunikation kann man lernen.
Clara und Clemente haben das Buch sicher nie gelesen.
Bewertung: *****
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Hallo Ihr Lieben,
habe auch dieses wunderschön, nachdenkliche Buch gelesen. Ein seltenes Werk, dass den Unterschied zwischen Mann und Frau nicht besser hätte einfangen können.