Matthias Politycki „In 180 Tagen um die Welt“, 384 Seiten, 24,90 €, Mare-Buchverlag, ISBN: 978-3866480803;
„Schiffschreiber“, was für eine eigenartige Bezeichnung. 180 Tage war der Schriftsteller Matthias Politycki Gast auf der „MS Europa“ und schrieb zu jedem Tag eine kleine, launige Geschichte. Held ist der fiktive, niederbayerische Finanzbeamte Johann Gottlieb Fichtl.
Ein Lottogewinn hat Herrn Fichtl auf dieses großartige, luxuriöse Schiff gebracht. Nun darf er seine Kreuzfahrt-Geschichte erzählen. Ausgestattet mit Motiv-Krawatten und einem „Aldi-Smoking“ macht er sich auf die Welt im Allgemeinen und die MS Europa im Besonderen zu erkunden.
Nicht ist witziger als die Wahrheit, und wenn man das Erlebte dann noch ein weniger übersteigert, dann entsteht eine glänzende Satire, der „Schelmenroman des beginnenden 21. Jahrhunderts“.
Matthias Politycki hat diese Reise 2006/2007 tatsächlich gemacht. Seine Miniaturen orientieren sich an der tatsächlichen Reiseroute, seine Schilderungen der Menschen sind ebenfalls echt.
Eingeschifft wird in Istanbul. Der Dampfer fährt durch das Schwarze Meer, den Bosporus und das Mittelmeer nach Gibraltar, weiter Richtung Madeira und vorbei am Bermuda-Dreieck gen USA.
Nach der Karibik und jenseits von Amerika der Südsee steuert die MS Europa Australien und Neuseeland an. Über Indien und die Golfregion geht’s heimwärts. Endstation ist am 7. Mai 2007 in Genua – der ganze Spaß würde über 70.000 Euro kosten.
Politycki hat für seine Gesellschaftssatire eine fast journalistische Form gewählt – in zeitungsgerechter Kürze. Das ermöglicht komische Zuspitzung, verhindert aber Tiefe. Literarisch betrachtet ist das Logbuch von Spießbürger Fichtl daher keine Offenbarung. Mir hat’s nicht gefallen.
Bewertung: ***
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