Ein Frauenleben als öffentliches Scheitern

Alejandra Pizarnik, „In einem Anfang war die Liebe Gewalt“, 499 Seiten, 39.90 €, Ammann-Verlag, ISBN: 978-3250104841;

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Ein Leben in Tagebüchern: Kurz und heftig, voller Widersprüche. Am Anfang, im September 1954, stehen Auslassungen über eine Slip-Obsession, am Ende, 17 Jahre später, die Erkenntnis: „Schreiben heißt dem Leben Sinn geben.“ Zeugnisse einer schwierigen Existenz, gefangen in der Nachkriegs-Weltordnung.

Alejandra Pizarnik, geboren 1936 als Tochter aschkenasischer Juden, die vor dem Terror Stalins aus der Ukraine geflüchtet waren, galt in den 50er und 60er Jahren in der literarischen Szene von Buenos Aires als schillerndes Ausnahmetalent, als Enfant terrible. Heute ist sie anerkannt als die bedeutendste jüdische Dichterin spanischer Sprache und eindrucksvolle lyrische Stimme Lateinamerikas.

Ihre Tagebuch war von Anfang an keine private Aufzeichnung, sondern als künstlerisches Dokument bestimmt für die Veröffentlichung. „Ich will sein, die ich schon bin“, schreibt sie im Oktober 1957 und dokumentiert ein wahrhaft katastrophisches Leben, das 1972 durch eine Überdosis Schlafmittel abrupt endet.

Sie möchte unbedingt Rimbaud sein. In ihren Gedichten begehrt sie Liebe und Erlösung, in der Wirklichkeit bringt sie es nur zu Sex. Die Gier zu leben bildet sich ab in ihrer Dichtung und in ihren Tagebuch-Einträgen: „Das Leben verloren an die Literatur durch die Schuld der Literatur. Das heißt, weil ich aus mir im realen Leben eine literarische Gestalt machen will, scheitere ich in meinem Verlangen, Literatur zu machen mit meinem Leben, weil es dieses nicht gibt: es ist Literatur.“

Bindungen einzugehen, gelingt ihr nicht. Sie ist isoliert, verzweifelt. Vor ihrem Tod notiert sie: „Was das Schreiben angeht, so weiß ich, dass ich gut schreibe und das ist alles. Aber es hilft mir nicht, um geliebt zu werden.“

Pizarnik gehört zu jener Generation lateinamerikanischer Literaten, die in Paris die eigentliche Hauptstadt sehen, wie auch Octavio Paz oderJulio Cortázar. In einem Nachruf schreibt dieser: „Es reicht, sie zu nennen, und in der Luft erzittern Poesie und Legende“.

Ohne die Frauenbewegung wäre Alejandra Pizarnik niemals wiederentdeckt worden. Ihr Tagebuch zeugt von den Schwierigkeiten, die sie als Frau in einer (auch heute noch) patriarchalischen Gesellschaft wie Argentinien zu bewältigen hat. Voller Selbstzweifel richtet sie immer wieder Anklagen gegen sich selbst.

Ein faszinierendes Buch, ein trauriges Leben, eine verdienstvolle verlegerische Leistung. Danke!

Bewertung: *****

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