Tissy Bruns, „Republik der Wichtigtuer“, 224 Seiten, 19,90 €, Herder-Verlag, ISBN: 978-3451287152;

Dass Journalisten über Journalisten ist in jüngster Zeit groß in Mode gekommen. Auch wenn  die unsäglichen Ergüsse von Bild-Chef Diekmann  ausklammern, Jürgen Leinemanns Selbstbekenntnis „Höhenrausch“ war vor drei Jahren ein bemerkenswerter Anfang. Und nun Tissy Bruns und ihr „Bericht aus Berlin“. Die ehemalige Spartakistin, ein Kinder der „68er“, ist Parlamentskorrespondentin des Berliner „Tagesspiegel“ und war vier Jahre lang Vorsitzende der Bundespressekonferenz. Sie weiß also, wovon sie spricht.

Die „Republik der Wichtigtuer“ beschreibt und bewertet ein unsägliches Machtgeflecht zwischen Journalisten und Politikern. Was zu Bonner Zeiten irgendwie kuschelig wirkte, hat längst mehr negative Effekte als positive. Zumal Printjournalisten, denen es um Hintergründe geht, gegenüber den Produzenten der bewegten Bilder immer mehr das Nachsehen haben.

Politiker fühlen sich von Journalisten getrieben und missbraucht, weil Journalisten auf der Suche nach der einen, exklusiven Nachricht jegliche Vernunft vergessen.  Und über allem steht die Demoskopie. Was früher für politische Korrespondenten der Taxifahrer war, nämlich die Stimme des Volkes, ist heute die Meinungsumfrage.

Pointiert und bissig beschreibt Bruns die Verhältnisse im Berliner Politikbetrieb. Nicht nur, dass sie journalistische Effekthascherei und Sensationsgier kritisiert, sie macht sie auch verantwortlich für wachsende Ferne der Politik von der Bevölkerung und für deren Parteienmüdigkeit.

Tissy Bruns hat Recht mit ihrer Analyse und auch mit ihrer Kritik. Aber was lässt sich dagegen tun? In der Betrachtung der Journalistin fehlt ein ganz wichtiger Aspekt, nämlich der Leser und Fernsehzuschauer: Wie wichtig ist ihm die Politik? Versteht er sie überhaupt noch? Schade, dieses Thema hätte gezeigt, dass die „Republik der Wichtigtuer“ eigentlich auch  eine „Republik der Wegschauer“ ist. Trotzdem ein lesenswertes Buch.

Bewertung: *****

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